2018 fühle ich mich noch immer recht neu in der Region. Ich erkunde meine Umgebung, gehe gern an der Elbe spazieren. An einer Stelle finde ich immer wieder Metallteile. Die meisten lasse ich liegen, einige nehme ich mit. Vielleicht kann man sie ja mal für eine Skulptur nutzen, denke ich. Aber dann finde ich, bei Ebbe, doch sehr viele Teile und ich überlege, ob ich eine Arbeit mit Müll aus der Elbe erstellen sollte. Bis zu dem Tag, an dem ich mit einem Behältnis zum gezielten Sammeln wieder an diese Stelle fahre.
An dem Tag ist eine ältere Dame auch dort und ein Junge. Sie tragen einen Eimer und sammeln auch ein paar Teile. Ich frage mich, was sie wohl mit derartigen alten, verrosteten Eisenteilen anfangen wollen und wir kommen ins Gespräch. Aber bevor ich meine Neugierde stillen und fragen kann, fragt mich die ältere Dame zuerst, wieso ich Eisenteile sammle. Ich erkläre ich, dass ich Künstlerin bin, dass ich Assemblagen mache und was ich zurzeit überlege.
Und dann sagt sie, dass all die Eisenteile von einer ehemaligen Schiffswerft stammen, die vor vielen Jahren abgerissen wurde an genau dieser Stelle. Und dass man das machen musste, da der Wasserstand ständig steigt und eine Deicherhöhung notwendig wurde. Und dass diese Werft hunderte von Jahren alt gewesen sei. Und: dass sie die Besitzerin war. Und plötzlich hatte ich eine Geschichte und eine neue Arbeit.
Wir haben uns ein paar Mal getroffen, ich durfte sie interviewen und alte Fotos und Dokumente fotografieren. Und das Schönste: sie war bei der Vernissage meiner Ausstellung, als ich die Arbeit das erste Mal zeigte, anwesend.
Ein Stück Familiengeschichte, verwoben mit der Geschichte Deutschlands und der Welt, zusammengefasst in einer Arbeit. Die Metallteile habe ich gereinigt und mit Klarlack überzogen. Ich habe eine Holzplatte mit Leinwand überzogen und die Metallteile darauf festgenäht, mit besonders strapazierfähigem Nähgarn. Jedes Loch gebohrt. Ich habe die Teile nicht einfach nur festgeklebt, denn dann würde man den Prozess hinter der Arbeit nicht fühlen, die Zeit, die in die Erstellung hineinfloss, nicht sehen. Und Zeit, das ist der zentrale Faktor wenn es um den Wandel geht, den ich hier darstellen möchte.
Zwischen den Metallteilen befinden sich Muscheln aus der Elbe. Denn die Natur holt sich, langsam aber sicher, dieses Stück der Elbe wieder zurück. Optisch ist nicht zu erkennen, dass hier mal etwas anderes war als Natur, aber in der Tiefe. Und irgendwann auch das nicht mehr.