
Fisch des Jahres
Kunst kann ein Werkzeug sein, um gesellschaftliche Missstände aufzuzeigen und Bewusstsein zu schaffen. In meiner Arbeit „Fisch des Jahres“ habe ich die Schuppen eines Barsches verwendet, um wieder einmal genau dies zu versuchen.
Hunderte von Barschschuppen habe ich für diese Arbeit per Hand auf eine schwarze Leinwand genäht, jede einzeln. Dieser Teil meiner Arbeit erfordert immer Hingabe, aber genau das möchte ich auch zeigen: jede Schuppe steht für ein kleines Stück eines großen Puzzles, das Leben selbst.
Die Schuppen habe ich akribisch in Reihen angeordnet, jede Schuppe exakt platziert, um ein Gefühl der Ordnung und Struktur zu vermitteln. In der Mitte des Werks habe ich einen Spalt gelassen. Dieser Spalt variiert in seiner Breite, mal breiter, mal schmaler.

Der doppelte Rand, der das gesamte Werk einfässt, ist ebenfalls genäht. Für mich ist er wie die Illusion von Sicherheit und Schutz, die wir uns selbst vorgaukeln. Wir glauben oft, dass unser Leben, unsere Welt, unsere Gesellschaft stabil und sicher sind. Doch ich empfinde es so, dass diese Sicherheit nur oberflächlich ist. Und diese Illusion von Sicherheit ist ganz fatal, denn sie hindert uns daran, die Probleme zu erkennen und zu handeln.
Mit „Fisch des Jahres“ stelle ich die Frage, wie sinnvoll solche Aktionen sind wie Tier des Jahres, Pflanze des Jahres, Insekt des Jahres. Sie zielen darauf ab, Aufmerksamkeit zu schaffen. Und seit einiger Zeit muss ich an dieser Stelle immer an ein Werk der Künstlerin Swaantje Güntzel denken: in einer schrillen Acrylmalerei fragt sie „When are we fucking done raising awareness?“. Deutlicher kann man gar nicht ausdrücken, was ich mit diesem Werk sagen möchte.

Ich habe jede Schuppe einzeln von Hand genäht, um die Zerbrechlichkeit und den Wert jedes einzelnen Lebewesens zu betonen. Dieser Prozess ist immer wieder eine meditative und zugleich schmerzliche Erfahrung. Die repetitiven Bewegungen des Nähens erinnerten mich an die zyklischen Muster der Natur. Gleichzeitig bekomme ich ein sehr enges, neues Verhältnis zu dem Material, mit dem ich arbeite, was mich selbst fasziniert.
Es ist an der Zeit, dass wir erkennen, dass unsere Handlungen Konsequenzen haben und dass wir gemeinsam handeln müssen, um eine positive Veränderung herbeizuführen. Eine Aktion „Fisch des Jahres“ ist einfach nicht mehr ausreichend.
Und ja, in der Tat war der Barsch der Fisch des Jahres 2023. Toll.
[Und übrigens: Die oben genannte Künstlerin Swaantje Güntzel habe ich in meinem Kunst-Podcast Atelier-Talk interviewt; in Episode #99 war sie mein Gast – seeehr hörenswert!]
