Im April dieses Jahres habe ich Beelitz Heilstätten besucht, einen dieser ganz besonderen Orte, an denen Geschichte anfassbar wird. Während ich hier schreibe, erinnere ich mich sehr lebendig daran, wie es war, zwischen diesen wunderschönen Gebäuden entlang zu gehen, sie zu betreten und viele Stunden dort zu verbringen. Und an kleinsten Details der Innenarchitektur und Ausstattung und zu spüren, wie es vielleicht gewesen sein könnte damals. Gänsehaut! Gegenstände genau zu betrachten, die die Menschen damals dort so gut kannten, gehörten sie doch zu ihrem (Arbeits-)Alltag. Die Armaturen an den Waschbecken, die so anders sind als heute und die immer noch vorhandene Zeugen sind von damals. Die Wandfarbe zu sehen in den Behandlungs- oder Aufenthaltsräumen. Die Unterschiede in der Farbe zu erkennen zwischen der Anfangszeit und der Zeit, in der die Russische Armee in den Beelitz Heilstätten lange Jahre stationiert war in der DDR. Es wird einem alles so nah, wie es sonst nur Filme vermögen, aber gleichzeitig ist man im Hier und Jetzt. Einzigartig. Wunderbar. Besonders. Bezaubernd.
Es war mir wichtig, dies alles irgendwie in meine Arbeit hinein zu weben. Das Damals und das Heute. Die Gründe warum die Heilstätten genau dort gebaut wurden. Die typischen Farben und Muster, die die Gebäude ausmachen und die unterschiedlichen Perioden, die sie „erlebt“ haben.
Herausgekommen ist eine Assemblage, die einen klaren Schwerpunkt setzt auf die Wandfarben. Sofort beim ersten Sehen haben mich diese Schichten fasziniert, die abblättern und teils diverse Schichten darunter frei geben. Ich habe die Teile vorsichtig abgenommen, die aus solch mehreren Schichten bestanden. Viele zerbröselten mir unter den Fingern und waren so für eine Verarbeitung unbrauchbar. Mit hochwertigem 2-komponenten-Harz habe ich dann jedoch eine Möglichkeit gefunden, mit diesen hoch fragilen Teilen arbeiten zu können. Ich habe sie auf Leinwand genäht, die ich in Naturfarbe belassen haben, nur den Teil, auf den ich genäht habe, habe ich in dem typischen Beelitz-Heilstätten-Gelb unterlegt.
Wieder einmal habe ich die Kreisform gewählt. Kein Anfang, kein Ende. Ein Mandala, das uns anzieht, hineinzieht, fasziniert. Das Alte, Neue und die Zukunft verbindet oder alles nichtig oder unwichtig macht.
Die Farb-Splitter habe ich, wie meist, angenäht, um die Zeit sichtbar zu machen, die in diese Arbeit geflossen ist. Denn die Zeit ist die wichtigste Komponente beim Thema Wandel.
Die angenähten Farbsplitter sind umgeben von einem Ring aus Zeitungspapier aus dem Jahr 1908, das unter die alten hölzernen Fensterrahmen gestopft gefunden wurde. Jemandem war damals kalt, jemand hat sich über den Luftzug geärgert und eine Abhilfe gefunden. Nun ist genau diese Zeitung in meiner Arbeit…Gänsehaut! In der Mitte befindet sich ein Ring aus russicher Zeitung aus dem Jahr 1984. Sie umgeben 9 russische Koffein-Ampullen, die offenbar den Soldaten gespritzt wurden, um sie leistungsfähiger zu machen. Dieses mittige Arrangement befindet sich auf Sechsecken in den Farben Blaugrün und Beige – den typsichen Fußbodenfliesen der Beelitz Heilstätten von Villeroy und Boch, die noch heute zu einem großen Teil fast perfekt aussehen.
Umgeben ist die Assemblage von einem typischen Muster, das unter vielen Stellen in den Gebäuden unter abgeblätterter Wandfarbe hervorkam. Und nicht zuletzt ist die gesamte Arbeit umgeben von gebündelten Kiefernnadeln. Die Kiefernwälder mit ihren ätherischen Ölen waren einer der Hauptgründe für die Standortwahl Beelitz als Lungenheilstätte. Sie wurden gehegt und gepflegt, ihre heilsamen ätherischen Öle sollten in die Gebäude fließen und heilend wirken. So habe ich, um die Domestizierung der Wälder zu zeigen, die Kiefernnadeln zu Bündeln in den Farben der Wände gewickelt. Sie umgeben alles, geben allem den Rahmen, genau so, wie die Kiefernwälder es auch in der Wirklichkeit tun.